Nach drei Tagen, an denen es sich fast alles um den Wein drehte, begaben wir uns am Donnerstag auf touristischere Pfade sowie auf Spuren der deutschen Nachkriegsgeschichte: die Stadt Cochem standen auf dem Programm.
Der Wein ließ uns dabei allerdings nicht los. Wie auch? Fußt doch der Tourismus der Region auf dem Weinbau und umgekehrt. Viele kleinere Winzer im Moseltal leben von der Direktvermarktung und der Wein ist auch einer der Hauptgründe für viele Touristen hier her zu kommen.
So passte es gut, dass wir von der amtierenden Weinkönigin Lisa II. von Cochem durch die Stadt geführt wurden. Die kleine Stadt Cochem mit ihren 5500 Einwohnern ist das „Oberzentrum“ im mittleren Moseltal. Die übrigen Dörfer und Gemeinden an der Mosel sind meist sehr klein und Bäcker und Lebensmittelgeschäfte sind dort selten geworden. Das Moseltal ist heute eine Region der langen Wege, was vor allem für Ältere und Menschen mit Handicap ein Problem darstellt. In den letzten Jahren eröffnen aber in vielen Dörfern wieder kleine „Tante Emma“-Lädchen – für den täglichen Bedarf.
Im Innenstadtbereich von Cochem, in dem gerade einmal 1500 Einwohner leben, gibt es neben Weinschänken, Hotels und Gastronomie auch viele andere Geschäfte, Schulen, Verwaltungen etc.
Über allem thront die Reichsburg – die höchstgelegene Höhenburg im Moseltal – auf einem Felsen. Ein Berliner Industrieller kaufte die Burgruine im 19. Jahrhundert und baute sie nach alten Plänen als romantisches Schloss wieder auf.
Lisa erzählt uns die Stadtgeschichte und strickt dabei ein paar „Cochemer Stückelchen“ ein – kleine Anekdoten mit ungewissem Wahrheitsgehalt ein. Eines geht so: Einst griffen Angreifer aus Endert die Stadt an. Um sich zu verteidigen, rollten die Cochemer leere Weinfässer hinter das Tor, um diese auf ihre Feinde zu werfen. Der Plan ging auf und die Leute tanzten danach ausgelassen auf ihren Fässern.
Heute gibt es nur noch wenige Winzer in Cochem, das vom Tourismus geprägt wird. Am Moselufer reihen sich einige Schiffsanleger und normalerweise ist das Städtchen im Sommer überlaufen. Aber wir haben Glück: in dieser Woche werden die Schleusen gewartet, daher fehlen die vielen Flusskreuzfahrtschiffe und ein Großteil der Tagesgäste, die sich sonst durch die Straßen und Gassen schieben.
Nach der Stadtführung besuchen wir – als spannenden Nebenexkurs – einen speziellen Ort, der nichts mit Wein, aber viel mit der deutschen Nachkriegsgeschichte zu tun hat: den einstigen Bundesbank-Bunker. In diesem lagerten bis in die Wendezeit hinein 25 Milliarden D-Mark nahezu ohne Bewachung hinter 4 Meter starken Mauern aus Stahlbeton. Aber nur sehr wenige Menschen wusste davon.
Es handelte sich um Ersatzgeld, das in Umlauf gebracht worden wäre, falls einmal von einer feindlichen Macht Deutschland mit Falschgeld überzogen hätte. In diesem Fall hätte die Bank das neue Geld ausgeben können, um die Wirtschaft zu schützen.
Woher die Angst davor? Deutschland hatte genau die Strategie im 2. Weltkrieg gegen die Engländer eingesetzt.
Wir waren am Mittwoch mit dem Bus und dem Schiff unterwegs. Wir hatten schon bei der Planung gemerkt, dass die Qualität des ÖPNV an der Mosel „noch Luft nach oben hat“. Zumindest fahren die Busse tagsüber stündlich und sind auch pünktlich. Die Preise können allerdings je nach Busfahrer unterschiedlich ausfallen – zumindest bei Gruppen.
Etwas Ortskenntnis ist bei der Planung darüber hinaus von Vorteil. Zum Beispiel, wenn man ins berühmte Örtchen Beilstein möchte. Denn von der Fähre vom gegenüberliegenden Ufer beim Ort Ellenz-Poltersdorf, weiß der Online-Fahrplan nichts und schickt einen lieber auf eine umständliche Reise mit mehreren Umstiegen über die nächsten Brücken.
Wir erfuhren – Gott sei Dank – von der kleinen Autofähre. So kamen wir nach einer kurzen Schifffahrt von Cochem nach Beilstein problemlos zurück nach Senheim und am nächsten Morgen wieder nach Beilstein.
Um den Tourismus in Zukunft nachhaltiger zu gestalten und den sommerlichen Staulagen auf den Moselstraßen entgegenzuwirken, wäre ein touristenfreundlicher Ausbau des ÖPNV absolut wünschenswert.
Ein Highlight von Cochem ist das schlichte Innere die Kirche St. Martin. Sie wurde im zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Heute lassen die bunt-verglasten Fenster die schlichten weißen Wände bei Sonnenschein in farbiges leuchten.
Fotos & Text: Franzis Brüse
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